Presse

Wir haben für Sie hier einige Meldungen der lokalen Presse zusammengestellt:


Darmstädter Echo
28.10.2003

Komplex LP6

Tag-, Nacht- und Albträume eines Bauleiters

Mathias Jöckel (34), Bauleiter, steht in Darmstadt vor dem größten seelischen Bett seines Lebens. Um da rein zu steigen, muss er 20 Meter an der Fassade hoch klettern. Doch dann hat Jöckel viel Platz. Denn vorn ist das Bett 65 Meter breit; am Kopfende verjüngt es sich auf 45 Meter.
Wobei der Kopf dennoch nicht zur Ruhe kommt. Denn Bauleiter Jöckel nimmt mit in den Schlaf, was ihn seit März dieses Jahres tag-, nacht- und albträumerisch verfolgt: den Ausbau des ehemaligen Living-Karstadt-Gebäudes in Darmstadts Innenstadt zu einem neuen Zentrum unterschiedlichster Angebote. So ist das Monstrum zu Jöckels gedanklichem Bett geworden. Im Berufstag wie in der Privatnacht.
Nach Feierabend, kaum daheim eingeschlafen, sieht er sich wieder in dem Darmstädter Moloch herum hasten. Über 15 500 Quadratmeter und fünf Etagen. Der Innenausbau, den er leitet, leitet ihn durch die Nacht. So hellwach empfunden, dass beim Klingeln des Weckers in aller Frühe Jöckel manchmal seufzt: "Bündig in die nächste Schicht ..."
Drei Jahre stand der Kommerz-Mammut leer. Nun soll er als Komplex LP6 (wegen der Adresse Ludwigsplatz 6) auf allen Etagen neues City-Leben reinbetoniert bekommen. Aldi ist schon da; gestern kam auch Saturn (Bericht im Lokalteil der heutigen Ausgabe). Gastronomie folgt.
Was an der Achse Schulstraße, Ludwigsplatz, Luisenstraße auch bitter nötig ist. Erst starb das Konzept von "Living Karstadt". Der scharfe Darmstädter Volksmund sprach schon vorher von "Dying Karstadt". Und dann war die folgende Öde nur noch traurig zu registrieren als "No Darmstadt" - mitten Darmstadt.
Doch jetzt, da sich die lange Zeit fast bronx-ähnliche verkommene Luisenstraße aufs Erfreulichste drapiert, macht auch LP6 um die Ecke Hoffnung auf eine neue Flaniermeile zur Freude aller: Kaufleuten wie Kunden.
Bauleiter-Blues: Was Passanten auf der Straße im Vorbeihasten nicht ahnen, spielt sich drinnen ab. Räumlich wie hektisch im Gemüt von Mathias Jöckel. Er ist das, was in Theatern Inspizient genannt wird. Überwacher und Koordinator sämtlicher Vorgänge.
Der Intendant weiß, welche schwierige Inszenierung auf seinem Spielplan steht. Lösen müssen die andere. So ist's auch am Bau: Der Architekt hat seine Pläne längst gezeichnet. Doch für die erfolgreiche Umsetzung steht der Bauleiter in Lohn, Brot. Vor allem aber Verantwortung und Stress.
"Ein Neubau ist immer einfacher", sagt Jöckel, selbst studierter Architekt. Aber in den Torso eines früheren Bauwerks neue Funktionsabteilungen ganz individueller Wünsche und Quadraratmeterflächen rein zu zaubern, geht erheblich an die Nerven. Vor allem an die Nerven desjenigen, der das Zauberwerk dann überwachend dirigieren soll. Auf einmal zählt, fernab aller Vorgaben, produktive Improvisationskunst.
Ein Horror: Wenn Handwerker, die nacheinander kommen sollten, erst gar nicht kommen. Und plötzlich alle zugleich kommen. Jöckel: "Wir hatten da so einen Fall, wo Leute verspätet die Gipskartons an die Decke wuchteten. Während andere parallel darunter den Teppichboden verlegten." Ein Albtraum. Baustoff für Jöckels Wachträume in der Nacht.
Mit Untergeschoss und drittem Obergeschoss hat der Mann noch bis Februar 2004 zu rödeln. Und dann, nach all den Strapazen, wird er sentimental. Mathias Jöckel liebt seinen Beruf: "Wenn alles fertig ist, kommt der Stolz. Aber danach kommt man sich vor, wie aus seinem eigenen Haus vertrieben."