Darmstädter Echo
06.08.2005
Millionen-Poker um ein Filetstückchen
Stadtentwicklung: Zwei Bewerber streiten um Grundstück des Landes am Friedensplatz
Um eines der letzten Immobilien-Filetstücke in der Darmstädter Innenstadt ist ein heftiger Streit hinter den Kulissen entbrannt. Das Land bietet ein 2800 Quadratmeter großes Grundstück an der Großherzoglichen Vermögensverwaltung vis-a-vis des Pali-Parkplatzes an und hat gleich zwei ernsthafte Interessenten. Doch anstatt darüber glücklich zu sein, muss das Land plötzlich ganz andere Interessen berücksichtigen.
Denn auch die Stadt entwickelt großen Ehrgeiz, mit dem Verkauf und dem späteren Besitzer einen Abkommen machen zu können. Ihr Ziel: Weg mit dem Möbelhaus „Funktion“ am Friedensplatz und freie Sicht entlang einer neuen Grünanlage bis zum Landesmuseum.
Das Problem: „Funktion“-Besitzer Gerhard Wolf hat für das Grundstück auf dem Friedensplatz einen noch knapp 30 Jahre gültigen Erbpachtvertrag mit der Stadt, würde sich gerne für viele Euro - die die Stadt nicht hat - aus dem Vertrag herauskaufen lassen und ein neues Geschäft bauen. Das könnte Wolf wiederum auf dem nahe gelegenen Landesgrundstück realisieren - für sich und zur Vermietung oder zum Verkauf an andere, Tiefgarage inbegriffen. Genau das will er auch und hat sich zusammen mit dem Investor Ulrich Scheinert beim Land beworben.
Wolf hat bei der Stadt - salopp gesagt - noch etwas gut. Vor einigen Jahren scheiterten gemeinsame Bemühungen, den alten „Funktion“-Pavillon durch einen größeren zu ersetzen. Das Landesdenkmalamt lehnte seinerzeit diesen Plan ab, und die damalige Wissenschaftsministerin Ruth Wagner (FDP) bestätigte die Ablehnung. Aus war´s mit den Plänen.
Interessent Nummer zwei für das Filetstückchen an der Vermögensverwaltung ist die Darmstädter Biag-Gruppe mit dem Investor Wolfgang Thiele. Der wähnte sich im Frühjahr kurz vor dem Vertragsabschluss mit dem Land. Auch er wolle, sagte Thiele gestern dem ECHO, ganz eng angelegt an den Bebauungsplan und ähnlich wie Wolf und Scheinert dort bauen: zwei Bürogebäude, eine Tiefgarage.
Doch zu einem Vertragsabschluss kam es nicht, und seitdem vermutet Thiele eine Einflussnahme der Stadt gegen ihn und für das Team Wolf/Scheinert. Er ist sich sicher, dass die Biag-Gruppe einen deutlich höheren Preis als die Konkurrenz geboten habe.
Das Verfahren wird möglicherweise in der kommenden Woche in die entscheidende Runde gehen. Am Dienstag (9.) spricht Thiele in Sachen Grundstückskauf beim OB Walter Hoffmann vor, zwei Tage später kommen Wolf und Scheinert zum OB - und der Staatssekretär Walter Arnold aus dem Wiesbadener Finanzministerium. Der nämlich hat den Verkauf zu entscheiden.
Ministeriumssprecher Jürgen Harrer hält sich bis dahin arg bedeckt: „Die Stadt Darmstadt ist an uns herangetreten, um ihre städtebaulichen Interessen berücksichtigt zu sehen. Wir sind mit allen im Gespräch.“ Ein Verhandlungspoker um Millionen.