Darmstädter Echo
27.02.2009
Neue Pflegeschule nimmt Formen an
Ausbildung: Staatliche Anerkennung für Bildungszentrum für Gesu
Die Pause des Baggerfahrers in seinem Führerhaus währt nicht lange. Als sein Kollege mit dem leeren Kipplaster zurückkommt, legt er die Zeitung weg und schaufelt Schutt auf die Ladefläche. Es gibt noch viel zu tun auf dem Grundstück in der Dieburger Straße, das sich nach dem Abriss des ehemaligen Edeka-Supermarkts nun als Brachfläche präsentiert bereit, um den Boden für Hessens größte Bildungseinrichtung für Pflegeberufe zu bereiten.
Auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber der Baustelle, trafen sich gestern im Konferenzraum des Alice-Hospitals die Kooperationspartner des neuen und nun offiziell betitelten Bildungszentrums für Gesundheit Mathildenhöhe (BZG), das in den voraussichtlich im Herbst fertigen Neubau einziehen soll. Anlass der Zusammenkunft: Das in dieser Form einmalige Projekt erhielt nun staatliche Anerkennung vom Regierungspräsidium.
Alice-Hospital, Klinikum Darmstadt und Kreiskrankenhaus Groß-Gerau wollen dort künftig gemeinsam 300 Schüler (statt zuvor 265) in den Berufen Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie Krankenpflegehilfe ausbilden. Durch die Bündelung des theoretischen Teils der Ausbildung sollen Kosten für Verwaltung und Infrastruktur eingespart und mehr in die Lehre investiert werden.
Wir sind jetzt eine gemeinsame Schule, verkündete Richard Röhrig, kaufmännischer Geschäftsführer des Alice-Hospitals, das als Bauherr auftritt. In relativ kurzer Zeit, nach dem Start vor einem dreiviertel Jahr, habe man sich auf eine vertragliche Plattform geeinigt. Jetzt beginne die Phase des Zusammenwachsens.
Der Neubaukomplex besteht aus zwei mehrstöckigen Gebäuden an der Straße, einem Supermarkt im Hinterhof sowie einer Tiefgarage darunter mit 200 Plätzen. Die Schule zieht auf den zwei oberen Etagen des größeren Gebäudes ein. Die übrigen Räume werden in erster Linie von Praxen oder Büros genutzt, ins Erdgeschoss zieht eine Apotheke.
Die rund vier Millionen Euro Baukosten finanziert laut Röhrig hauptsächlich das Land. Aber das Alice-Hospital wird wohl auch einen Beitrag leisten. Wie hoch dieser Anteil ausfällt, sei noch nicht abschätzbar. Die Betriebskosten würden aus den Ausbildungsbudgets der beteiligten Krankenhäuser finanziert.
Durch die Zusammenführung werden wir ganz andere Unterrichtsmethoden anbieten können, nannte Arndt Blessing, Geschäftsführer und Leiter der Schule, einen Vorteil. Die zehn Seminarräume seien mit modernster Medientechnik und zwei Übungsräume mit ausreichend PC-Arbeitsplätzen ausgestattet. Insgesamt gebe es dort mehr Raum für kreatives und projektbezogenes Arbeiten. Das wird die Qualität der Ausbildung erhöhen.
Vereinheitlicht wird auch das Bewerberauswahlverfahren. An welchem Krankenhaus der praktische Teil ablaufen soll, kann sich der Bewerber aussuchen. Ausbildungseinheiten an anderen Standorten sollen jedoch auch Teil des neuen Konzepts sein. Wichtig ist, erläuterte Blessing, dass die Auszubildenden ein hohes Maß an Handlungskompetenz für die Praxis draußen erwerben.
Denn die Anforderungen an den Pflegeberuf steigen, wie alle Beteiligten betonten. Und das können wir nur bewältigen, wenn wir gut ausgebildete Pflegekräfte haben, betonte Röhrig. Wir halten es für ausgesprochen wichtig, Ausbildungsplätze zu erhalten und auszubauen, unterstrich auch Wolfgang Wilhelm, Direktor des Kreiskrankenhauses Groß-Gerau. Von dort war der Impuls für eine gemeinsame Schule ausgegangen, weil die Auszubildenden dort mangels Räumen in Containern unterrichtet werden.
Markus Fleischhauer, stellvertretender Direktor des Klinikums, wies hier auf einen weiteren Positiveffekt hin: Wir stehen in Zukunft mit anderen Ausbildungsberufen stark in Konkurrenz. Man müsse Bewerber begeistern. Das können wir nur, wenn wir attraktive Angebote haben. Und je mehr Bewerber es gibt, ergänzte Andreas Winter vom Regierungspräsidium, um so besser könne man die Besten auswählen.
Nichtsdestotrotz ist ein solches Projekt auch schwierig, gab Richard Röhrig vom Alice-Hospital zu bedenken und kam auf die angespannte Finanzlage der Kliniken zu sprechen. Zwar bekämen diese laut Krankenhausfinanzierungsreformgesetz in diesem Jahr 3,5 Millionen Euro zusätzlich, doch decke dies nicht mal die Hälfte des Defizits. Dass die Regierung gleichzeitig Milliarden für Banken oder die Automobilindustrie bereit stelle, da fehlt mir das Verständnis. Das Gesundheitssystem sei die Branche, die am meisten Arbeitsplätze zur Verfügung stelle. Trotz dieser Unterdeckung engagieren wir uns, spannte er den Bogen zurück zum neuen Bildungszentrum. Angesichts der demografische Entwicklung und des steigenden Bedarfs an Pflege sei das eine Stärkung des Standorts. Wir sind überzeugt, dass sich diese Investition auszahlt.